Die Konzeption erfolgt je nach Priorisierung in unterschiedlichen Formaten.
Leistungen höchster und hoher Priorität werden
in Digitalisierungslaboren betrachtet (siehe Kapitel
8.3). Für Leistungen mittlerer Priorität ist eine Konzeption im
Digitalisierungslabor nicht vorgesehen. Für diese Leistungen wurden weniger umfangreiche Formate
entwickelt: Die Digitalisierungs-Werkbank, die Direkt-Digitalisierung und die Nutzung
vorhandener Lösungen. Der Unterschied zu den Digitalisierungslaboren liegt vor allem im
zeitlichen und personellen Umfang der Konzeption. Auch bei diesen Vorgehensmodellen gelten
jedoch die Leitlinien, die auch in den Digitalisierungslaboren zu beachten sind:
Nutzerzentrierung, maximaler Wirkungsgrad und länderübergreifende Nachnutzbarkeit (vgl. Kapitel 8.1).
Abbildung 89: Ablauf von Umsetzungsprojekten
Abbildung 90: Verfahren zur Bestimmung eines Vorgehensmodells
Abbildung 91: Die verschiedenen Vorgehensmodelle für die Konzeption differenziert nach Priorisierung
10.4.1 Digitalisierungslabor
Für die Leistungen hoher und höchster Priorität ist das Format der Digitalisierungslabore entwickelt worden, welches in Kapitel 8 ausführlich erläutert wird. In Umsetzungsprojekten dieses Formats liegt der Startpunkt demnach beim Übergang von der Konzeptions- in die Umsetzungsphase.
Bei Abschluss eines Digitalisierungslabors steht eine Reihe von Artefakten bereit, welche als Grundlage für die Umsetzung der Referenzimplementierung (siehe Kapitel 10.2) dienen. Durch die Nutzung der erstellten Artefakte wird sichergestellt, dass die Referenzimplementierung auf den Ergebnissen des Digitalisierungslabors bei der Implementierung des Online-Services aufbaut.
10.4.2 Digitalisierungswerkbank
Bei der Digitalisierungswerkbank ist für die Konzeption deutlich weniger Zeit und Aufwand vorgesehen, als bei einem Digitalisierungslabor. Sie ist in zwei aufeinander folgende Phasen aufgeteilt: Die Analyse des Ist-Zustandes und die Entwicklung eines Ziel-Prozesses. In der ersten Phase wird mithilfe der Fachexpertinnen und Fachexperten der bestehende Prozess erfasst und in Form von FIM-Stamminformationen festgehalten. Darüber hinaus werden bestehende Online-Lösungen, Fachverfahren, Register und Schnittstellen auf ihre Weiterverwendbarkeit bei der Digitalisierung hin überprüft und mögliche Hürden für die Digitalisierung der Leistung in den dazugehörigen Rechtsquellen identifiziert.
Auf dieser Grundlage wird dann in der zweiten Phase ein Ziel-Prozess konzipiert. In Interviews oder einem Design-Thinking-Workshop mit Nutzern und Fachexpert:innen aus dem Vollzug werden Prozessdiagramme und Prototypen entwickelt und erprobt. Die Ergebnisse werden als OZG-Referenzinformationen und Klick- oder Papier-Prototyp festgehalten. Sie dienen der Planung der weiteren Schritte hin zu einer Implementierung: Eine detaillierte Planung der technischen, organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen, die für die Umsetzung geschaffen werden müssen. Anschließend ist gemeinsam mit dem IT-Dienstleister ein Konzept für den Betrieb der Lösung bzw. dessen Erweiterung, um weitere Ausbaustufen während des Betriebes zu entwickeln. Ein Nachnutzungskonzept und der flächendeckende Roll-Out sind ebenfalls als Teil der Konzeptionsphase zu berücksichtigen.
10.4.3 Direkt-Digitalisierung
Bei der Direkt-Digitalisierung steht Geschwindigkeit im Fokus. Für dieses Verfahren sind Leistungen mittlerer Priorität geeignet, die von einer geringen Komplexität gekennzeichnet sind. Die geringe Komplexität betrifft z. B. sowohl die Zuständigkeiten als auch die Formulare und Nachweise, die zu erbringen sind. Diese Leistungen sind in der Regel im Steckbrief als die Leistungsarchetypen einfacher Antrag, Information oder Meldung an die Verwaltung gekennzeichnet.
Für Leistungen dieser Art ist ein aufwendiges Konzeptionsverfahren nicht notwendig, weil beispielsweise nur ein einseitiges Papierformular oder ein automatisch generierter Bescheid an die Nutzerinnen und Nutzer digitalisiert werden muss. Die Konzeption und technische Umsetzung müssen daher nicht aufeinander aufbauen und nacheinander erfolgen, sondern können parallel ablaufen. Fachexpert:innen und Entwickler:innen arbeiten im Tandem eng zusammen, um beispielsweise einen bestehenden Antrag in Papierform ohne nennenswerte Veränderungen in einem Antragsmanager umzusetzen. Dieser Online-Antrag wird anschließend mit einer Nutzerin oder einem Nutzer und einer sachverständigen Person aus der Verwaltung getestet.
Der zeitliche Umfang einer Direkt-Digitalisierung beträgt im Gegensatz zum Digitalisierungslabor ca. 6-8 Wochen. Daran beteiligt sind die notwendigen Fachexpert:innen, ein:e Entwickler:in, ein:e Nutzer:in (optional), eine Person aus dem Vollzug und der IT-Dienstleister. Mit dem Abschluss der Direkt-Digitalisierung, d. h. nach dem Go-Live der Leistung, stehen alle FIM-Stamminformationen über die entsprechenden Repository zur Verfügung sowie eine fertige digitale Lösung z.B. in Form eines Formulars im Antragmanagementsystem.
Abbildung 92: Voraussetzungen für das Vorgehen Direkt-Digitalisierung
Die Blaupause Direktdigitalisierung steht für dieses Vorgehensmodell unterstützend zur Verfügung. In diesem werden die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Konzeptionierung und der konkrete Ablaufplan der Direkt-Digitalisierung erläutert sowie an einem Beispiel besprochen.
10.4.4 Nutzung bereits bestehender Lösungen
Ein Teil der Leistungen mittlerer Priorität haben ihre Priorisierung erhalten, weil bereits Online-Verfahren bestehen, auf welche bei der Umsetzung aufgebaut werden kann. Diese erfüllen jedoch noch nicht immer die Anforderungen des OZG (siehe Reifegradmodell) und müssen deshalb im Zuge der OZG-Umsetzung weiterentwickelt werden. Je nach Entwicklungsstand der bestehenden Lösung und Umfang bzw. Komplexität der Leistung ist hier ein individuell unterschiedlich großer zeitlicher und personeller Aufwand einzuplanen. Dennoch kann hier allgemein mit geringeren Aufwänden gerechnet werden, als bei einem Digitalisierungslabor.
Hinsichtlich der OZG-Konformität müssen die verantwortlichen Federführer:innen sicherstellen, dass der Online-Dienst Reifegrad 3 erreicht und alle relevanten Leika-Leistungen bzw. gängigen Geschäftsvorfälle abdeckt. Die Bereitstellung von FIM-Stamminformationen und OZG-Referenzinformationen ist ebenfalls zu gewährleisten. Weiterhin sollte der Online-Dienst generell einen hohen Qualitätsstandard aufweisen und insbesondere den OZG-Servicestandard und die Kriterien der Nutzerfreundlichkeit erfüllen.
Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit sollte zum einen darauf geachtet werden, dass der Service nach Umsetzung erforderlicher Weiterentwicklungen keine höheren Betriebskosten verursacht als verfügbare Alternativen, zum anderen sollte ein positives Aufwand-Nutzen-Verhältnis dieser Weiterentwicklung im Vergleich zu einer kompletten Neuentwicklung gegeben sein. In diesem Zusammenhang sind ggf. relevante haushaltsrechtliche Anforderungen und andere anzuwendende Regeln zu berücksichtigen.
Insbesondere bei der Nutzung bestehender Lösungen, die von privaten IT-Dienstleistern bereitgestellt werden, bedürfen die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen generell einer sorgfältigen Prüfung unter Hinzuziehung der erforderlichen juristischen Expertise. So können sich beispielsweise im Zusammenhang mit dem flächendeckenden Ausrollen solcher Lösungen vergabe- und lizenzrechtliche Fragen stellen, die jeweils im Einzelfall zu bewerten sind.
Wenn die bestehende Lösung im Rahmen des „Einer für Alle“-Modells zur Nachnutzung durch andere Länder zur Verfügung gestellt werden soll, sind auch in dieser Hinsicht grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu erfüllen, die auch für neu entwickelte OZG-Online Dienste gelten. In diesem Zusammenhang bietet das Kapitel 11 zur Nachnutzung Orientierung und Schritt-für-Schritt-Anleitungen entlang der relevanten OZG-Rollen.
10.4.5 Depriorisierung von Leistungen
Ziel des Onlinezugangsgesetzes ist die Digitalisierung aller Verwaltungsleistungen bis Ende 2022. Dafür wurden im Rahmen der OZG-Umsetzung in den Themenfeldern Leistungen anhand abgestimmter Kriterien priorisiert. Nichtsdestotrotz kann es unter bestimmten Bedingungen vorkommen, dass eine Leistung nicht digitalisiert wird. Dies führt zu einer Depriorisierung der Leistung. Das bedeutet, dass im Rahmen der Umsetzungsbegleitung die Leistung nicht weitergehend betrachtet wird. Hierfür muss mindestens einer der folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Faktische Unmöglichkeit: Leistung ist faktisch nicht digitalisierbar (z.B. Impfung)
- Rechtliche Unmöglichkeit: Leistung kann aufgrund rechtlicher Vorgaben (z.B. ein persönliches Erscheinen) nicht digitalisiert werden.
- Wirtschaftliche Unmöglichkeit: Leistung kann aufgrund eines groben Missverhältnisses von Kosten und Nutzen nicht digitalisiert werden.
- Sicherheitsgründe: Leistung soll aus Sicherheitsgründen nicht digitalisiert werden
Um eine Depriorisierung eine Leistung vorzunehmen, wurde ein standardisierter Prozess entwickelt:
- Identifikation der zu depriorisierten Leistung im Umsetzungsprojekt durch das Federführende bzw. Umsetzendes-Land
- Einreichung des Vorschlags beim Federführende-Ressort durch das Federführende bzw. Umsetzendes-Land: Ausweisung der Gründe für die Depriorisierung
- Falls gelistete SDG Leistung: Prüfung der SDG II Relevanz durch Referat DV5
- Abstimmung im Themenfeld Steuerkreis nach definierter Vorlage durch das Federführende Ressort: Ausweisung der Gründe für Depriorisierung, Ergebnis der SDG II Relevanz und Übersicht der erhaltenen finanziellen Mittel
- Kommunikation an OZG Projektleitung und Nachhalten auf der Informationsplattform durch Federführende bzw. Umsetzendes-Land und das Federführende Ressort
Stand: 07.10.2021
Attachments:
9.4 Voraussetzungen für das Vorgehen Direkt-Digitalisierung (image/png)
9.4 Bestimmung eines Vorgehensmodells (image/png)
9.4 Ablauf von Umsetzungsprojekten (image/png)
AM_Blaupause Direktdigitalisierung 2.0.pdf (application/pdf)